Kooperationsverhalten im Pferdetraining
Eine Möglichkeit, die Angst beim Tierarzt zu reduzieren
Selbst bei einem gesunden Pferd ist es hin und wieder erforderlich, dass es eine unangenehme Behandlung wie z.B. das Impfen gelassen mitmacht. Spätestens wenn das Tier krank ist, sind unangenehme Behandlungen oft unvermeidlich.
Es gibt natürlich den ein oder anderen Kandidaten, der den Tierarzt stoisch erträgt und auch bei unangenehmen Eingriffen ruhig stehen bleibt. Insbesondere ängstliche oder charakterstarke Pferde reagieren bei unangenehmen und vielleicht sogar schmerzhaften Behandlungen dagegen abwehrend. Das Abwehrverhalten kann schnell zu gefährlichen Situationen und weiteren Verletzungen führen. Und hier kommt das sogenannte Kooperationssignal ins Spiel.
Was ist ein Kooperationssignal?
Das Kooperationssignal kommt aus dem Medical Training, einem Bereich des Clickertrainings. Es beschreibt ein Verhalten deines Pferdes, das dir zeigt, dass du mit deiner Behandlung fortfahren kannst. Das Pferd kann dir mit dem Kooperationsverhalten zeigen, dass es für den nächsten unangenehmen Schritt bereit ist. Das Pferd weiß also, was gleich kommen wird und entscheidet sich bewusst dafür, dass es ruhig stehen bleibt und die Behandlung mit sich machen lässt. Das klingt erst einmal sehr widersprüchlich, nicht wahr?
Vorteile des Kooperationssignals
Wenn wir unseren Pferden das Mitspracherecht geben, sich bewusst für etwas Unangenehmes zu entscheiden, nehmen wir ihnen das Gefühl der Hilflosigkeit und dass sie uns oder dem Tierarzt ausgeliefert sind. Sie lernen, dass sie auf eine einfache Weise "Nein, ich halte das nicht mehr aus!" sagen können.
Wenn wir auf dieses leise "Nein" hören, wird es nicht lauter, im Sinne von: das Pferd muss kein massiveres Abwehrverhalten zeigen. Und die Pferde reagieren besser auf die unangenehmen Manipulationen bzw. halten sie länger durch, weil sie wissen, dass der Mensch jederzeit aufhört wenn sie mit dem Kooperationsverhalten aufhören.
Der große Pluspunkt: die Behandlung wird viel sicherer, weil gefährliche Reaktionen des Tieres vermieden werden.
Praxisbeispiel: Kooperationsverhalten für die physiotherapeutische Behandlung
Vorgeschichte
In dem folgenden Video möchte ich euch ein Beispiel aus der Praxis mitgeben. Mira hatte zu dem Zeitpunkt der Videoaufnahmen eine Thoraxrotation. Das heißt der Brustkorb und der Bauch haben sich verdreht, vermutlich durch einen Sturz. Diese Verdrehung lässt sich über physiotherapeutische Behandlungen und ein angepasstes Reha-Training wieder auflösen.
So eine Rotation führt jedoch zu starken Verspannungen im gesamten Pferd, die sehr weh tun können. Folglich ließ Mira sich nicht mehr anfassen und fing an zu Schnappen und zu Treten, sobald man mit der Hand auch nur in die Nähe kam. Eine physiotherapeutische Behandlung wird dadurch natürlich unmöglich. Zwangsweise habe ich mich deshalb mit dem Kooperationsverhalten auseinander gesetzt. Wir haben das vorher beide noch nie gemacht, aber der Effekt war dann doch sehr beeindruckend 😊.
Training des Kooperationsverhaltens
Als Kooperationsverhalten nutze ich die Berührung eines Targets mit der Nase. Mira kennt die Targetarbeit schon, deshalb hat sie das neue Target sehr schnell angenommen. Unser Ablauf sieht dann so aus: Mira berührt das Target, dann berühre ich Mira und es gibt Click und Futter, wenn sie während meiner Berührung am Target bleibt. Wenn sie die Nase vor dem Click vom Target wegnimmt, höre ich sofort mit der Berührung auf und wir machen nach einer kurzen Pause weiter. Wenn sie mehrfach hintereinander stoppt, mache ich ihr den Trainingsschritt leichter. Den Ablauf könnt ihr euch in der folgenden Skizze nochmals anschauen und nachvollziehen.
In dem Video seht ihr Ausschnitte aus unserem Training der ersten drei Tage. Ich habe sehr darauf geachtet, dass Mira zufrieden ist und noch gut mitmachen kann. Wir haben die Anforderungen deshalb nur sehr langsam gesteigert und die Bezahlung in Form von Leckerli war besser als normal 😉.
Am meisten hat es mich überrascht, wie schnell mein Pony das Ganze verstanden hat und wie eifrig sie dann bei der Sache war. Es gab im Training zwar hin und wieder kurze Phasen, in denen sie etwas angespannt schaute, aber sie hat mir nicht einmal gedroht oder nach mir geschnappt.
Weiteres Filmmaterial
Ihr könnt euch unsere komplette erste Trainingssequenz zum Training des Abkauens mit Kooperationsverhalten auch gerne in meinem neuen Beitrag auf YouTube anschauen: Vollständige Trainingssequenz zum Abkauen mit Kooperationsverhalten
22. Dezember 2023 von Conny
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